Warum es Bunter Ball braucht
Jedes fünfte Kind in Deutschland wächst in Armut auf (Bertelsmann Stiftung, 2020). Das heißt, dass die Familien der Kinder deutlich weniger Geld haben als andere Familien. Außerdem kann damit verbunden sein, dass sie in einer sehr kleinen Wohnung leben, dass die Eltern gerade keine Arbeit haben, weniger gut in der Schule waren oder leider schon länger krank sind. Meistens kommen viele dieser Dinge zusammen. Man sagt auch, dass die Kinder in „sozial benachteiligten Verhältnissen“ groß werden (Esser, Schmidt, 2017).
Für die Kinder ist das dann eine ganz schön schwierige Situation. Deswegen entstehen bei ihnen häufiger Auffälligkeiten als bei Kindern aus Familien, denen es richtig gut geht. Sie sind zum Beispiel schneller wütend oder traurig und lösen einen Streit öfter mit Gewalt (Laucht, Esser, Schmidt, 2000). Manchmal haben sie diese Auffälligkeiten immer noch, wenn sie Jugendliche sind und es können daraus richtig große Probleme entstehen. Einige der Jugendlichen nehmen dann zum Beispiel Drogen, trinken zu viel Alkohol oder tun Dinge, die verboten sind (Zohsel et al., 2017).
Es gibt aber noch ein anderes riesiges Problem: Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen gehen viel seltener auf das Gymnasium und sie studieren auch viel seltener. Insgesamt fällt es ihnen schwerer, zu lernen und gute Noten zu bekommen. In Deutschland ist es aber ganz besonders wichtig, gut in der Schule zu sein. Denn die Ergebnisse in der Schule entscheiden oft darüber, ob sie später eine Arbeit finden und dabei erfolgreich sind oder, ob sie als Erwachsene auch wieder in sozial benachteiligten Verhältnissen leben (Solga & Dombrowski, 2009).
„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“
Artikel 3 – Grundgesetz
Dieser Text steht weit vorne im Grundgesetz und er sagt, dass keine Person unfair behandelt werden darf. Egal, woher diese Person kommt, welche Sprache sie spricht, woran sie glaubt oder, ob sie eine Frau, ein Mann, keines von beiden oder sich da nicht so ganz sicher ist. Leider halten sich aber nicht alle Menschen an dieses Gesetz. Und auch wir Kinder halten uns nicht immer daran, denn in Grundschulen werden viele Kinder gemobbt. Mehr als jedes fünfte Kind ist schon mindestens einmal gehänselt oder ausgeschlossen worden (Andresen et al., 2018). Für Grundschulkinder wurde nicht genau untersucht, warum sie gemobbt werden. Aber für ältere Kinder ab 14 Jahren hat man das gemacht. Sie werden vor allem wegen ihrer Herkunft, wegen ihres Geschlechts oder wegen ihres Glaubens gemobbt bzw. diskriminiert (Beigang et al., 2017). Es könnte also gut sein, dass diese Ergebnisse auch für Grundschulkinder stimmen.
Vielleicht fragst du dich jetzt, was mit den Kindern passiert, die gemobbt bzw. diskriminiert werden? Herr Sourander und seine Kolleg:innen haben das untersucht: Wenn Kinder im Alter von 8 Jahren gemobbt werden, haben sie zum Beispiel sehr oft Angst und ihre Seele ist immer wieder krank (Sourander et al., 2016). Deswegen entwickeln sie sich langsamer als andere Kinder. Wenn die Kinder in der Schule gemobbt werden, dann haben sie auch immer weniger Lust, in die Schule zu gehen. Und wenn sie doch hingehen, dann fällt es ihnen schwer, aufzupassen und sie lernen weniger (Makarova, 2015). Jetzt kannst du dir sicher vorstellen, dass das nicht gut für ihre Noten ist. Und weil die Noten in Deutschland so wichtig sind, ist das auch nicht gut für ihr weiteres Leben.
Ungleiche Chancen
Bertelsmann Stiftung. (2020). Factsheet: Kinderarmut in Deutschland Retrieved from https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/factsheet-kinderarmut-in-deutschland
Esser, G., & Schmidt, M. H. (2017). Die Mannheimer Risikokinderstudie. Kindheit und Entwicklung, 26(4), 198-202. DOI: 10.1026/0942-5403/a000232
Laucht, M., Esser, G. & Schmidt, M. (2000). Entwicklung von Risikokindern im Schulalter: Die langfristigen Folgen frühkindlicher Belastungen.
Solga, H., & Dombrowski, R. (2009). Soziale Ungleichheiten in schulischer und außerschulischer Bildung. Stand der Forschung und Forschungsbedarf. Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung.
Zohsel, K. et al (2017). Langfristige Folgen früher psychosozialer Risiken. In: Kindheit und Entwicklung 26 (2017) 203-209. DOI: https://doi.org/10.1026/0942-5403/a000233
Mobbing- und Diskriminierungserfahrungen
Andresen, S. et al. (2019). Children´s World + – Eine Studie zu Bedarfen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Hrsg: Goethe-Universität Frankfurt am Main, Jacobs Foundation, Bertelsmann Stiftung.
Beigang et al. (2017). Diskriminierungserfahrungen in Deutschland. Ergebnisse einer Repräsentativ- und einer Betroffenenbefragung. DOI: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Expertisen/expertise_diskriminierungserfahrungen_in_deutschland.pdf?__blob=publicationFile&v=6
Sourander, A., Gyllenberg, D., Brunstein Klomek, A., Sillanmäki, L., Ilola, A. M., & Kumpulainen, K. (2016). Association of Bullying Behavior at 8 Years of Age and Use of Specialized Services for Psychiatric Disorders by 29 Years of Age. JAMA Psychiatry, 73(2), 159-165. doi:10.1001/jamapsychiatry.2015.2419
Makarova, E. (2015). Wahrgenommene Diskriminierung als Risikofaktor für Hidden-Dropout von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund. In: Equit – Diskriminierung und Chancengerechtigkeit im Bildungswesen. Migrationshintergrund und soziale Herkunft im Fokus. Andreas Haeni Hoti. Bern 2015