14. Juli 2021

Greta erklärt unseren pädagogischen Ansatz

Greta hat 2016 ihre Bachelor-Arbeit über In safe hands e.V. geschrieben und ist seitdem nicht mehr von uns losgekommen. Mittlerweile ist sie in unserer Organisation für die Bereiche „Menschen“ und „Projekte“ zuständig und erklärt im folgenden Interview, wie wir den Kindern im Projekt „Bunter Ball“ begegnen möchten.

Welche pädagogischen Ziele verfolgt ihr im Projekt „Bunter Ball“?  

Wir entwickeln im Bunten Ball ja zu jeder Jahrgangsstufe einen Katalog mit Sportübungen, durch die wir gezielt die emotionalen, sozialen und interkulturellen Kompetenzen von Kindern fördern. Wie wir uns alltäglich begegnen und miteinander sprechen, hat aber auch einen ganz großen Einfluss auf eben diese Kompetenzentwicklung. Auch unsere Pädagogik ist also darauf ausgelegt, dass unsere Kinder ihre Potenziale entfalten und wachsen können. 

Konkret wollen wir Lern- und Erfahrungswelten schaffen, in denen Kinder die Möglichkeit bekommen, ihre Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse kennen zu lernen und tiefer zu erforschen.
Wir streben danach, dass sich jedes Kind in unserer AG so wohl und sicher fühlt, dass es sich in das Abenteuer „Bunter Ball“-AG fallen lassen kann und sich traut, sich zu öffnen und zu zeigen. 

Was tut ihr, um diese Ziele zu erreichen? 

Ganz entscheidend dafür ist das soziale Miteinander. Fühlen sich die Kinder in der Gruppe aufgehoben und sicher, ist die Basis geschaffen. Wichtig ist uns, dass nicht nur unsere AG-Leiter:innen für die Entstehung einer vertrauensvollen und wertschätzenden Atmosphäre verantwortlich sind, sondern ebenso jedes einzelne Kind. 

Und genau das vermitteln wir ihnen. Wir zeigen ihnen, dass wir sie ernst nehmen und geben ihnen Möglichkeiten, unsere AG-Zeit, unser Zusammensein, mitzugestalten. Wir vermitteln ihnen dadurch Botschaften wie „Du bist wichtig“, „Du gehörst dazu“, „Ich höre, was du sagst“, „Du kannst mitentscheiden“. In der Umsetzung sieht es so aus, dass jede AG-Stunde von intensiven Gruppengesprächen, altersangemessenen Partizipationsmöglichkeiten, achtsamen „Me-Momenten“ und einer fehlerfreundlichen Kultur geprägt ist. 

Damit dieser Plan aufgeht und die Kinder möglichst viel Autonomie und Selbstwirksamkeit erleben können, hat jede AG-Stunde die gleiche Struktur. Wir geben den Kindern über die vier Grundschuljahre einen sehr klaren Rahmen vor, in dem sie sich frei bewegen und erleben dürfen. 

Was macht euren pädagogischen Ansatz besonders?  

Zum einen nehme ich die wiederkehrenden Rituale und die Balance zwischen Vorgabe und Wahlmöglichkeit als besonders wahr. Zu unseren Vorgaben gehört, dass jedes Kind in unserem Mittelkreis, dem sogenannten „Kreis der Freundschaft“, einen festen Sitzplatz hat, an den es im Laufe der Stunde immer wieder zurückkehrt. Das beruhigt und gibt Sicherheit. In diesem Kreis beginnen und schließen wir jede AG-Stunde. Zum Abschluss darf beispielsweise jedes Kind mit einem Wort sagen, wie es die Stunde fand, bevor es dann von dem:r AG-Leiter:in persönlich verabschiedet wird. Außer, und jetzt kommt eine der Wahlmöglichkeiten ins Spiel, das Kind entscheidet sich gegen die persönliche Verabschiedung, dann darf es natürlich auch so gehen.  

Zum anderen machen wir es uns zur Aufgabe, die kindliche Verspieltheit zu nutzen. Statt nur das Ergebnis im Auge zu haben, fokussieren wir uns auf das Erlebnis. Wir möchten die Kinder begeistern und nutzen die dadurch freigesetzte Energie, um Lernprozesse spielerisch anzustoßen. So finden zum Beispiel die Übungen der 1. und 2. Jahrgangsstufe in Phantasiewelten statt, in denen wir die Kinder in kleine Drachen, Dschungeltiere, Pirat:innen oder Austonaut:innen verzaubern. Darüber hinaus haben wir mittlerweile ein buntes Methodenrepertoire für kleine, lustige Auflockerungen oder beruhigende Entspannungen – je nachdem, was es gerade braucht.  

Wovon lasst ihr euch in eurer Pädagogik inspirieren? 

Wir sind sehr offen und schauen gerne nach rechts und links!  

Sehr beeindruckt sind wir von der positiven Pädagogik. Daraus haben wir beispielsweise gelernt, dass es unserem Gehirn schwerfällt, Verneinungen zu verstehen. Heißt für uns: Statt unseren Kindern zu sagen, was sie nicht tun sollen, sagen wir einfach sehr genau, was wir uns von ihnen wünschen.  

Außerdem sind wir durch reformpädagogische Ansätze inspiriert, geprägt von Maria Montessori oder Rudolf Steiner. Wir mögen beispielsweise den klaren Rhythmus der Waldorfpädagogik (was sich in unserer wiederkehrenden Stundenstruktur zeigt) und den Blick von Maria Montessori auf Kinder (was unsere grundsätzliche Haltung geprägt hat).  

Gleichzeitig ist uns aber auch bewusst, dass diese Ansätze in der Regelschule nicht eins zu eins umgesetzt werden können. Sie inspirieren unsere Arbeit und fließen in unsere Pädagogik mit ein.  

Mit welchen pädagogischen Herausforderungen habt ihr im Alltag zu tun? 

Ganz am Anfang der AG-Zeit, wenn die Kinder weder sich gegenseitig noch unsere AG-Leiter:innen kennen; wenn die AG-Struktur noch unbekannt ist und auch keine Rituale etabliert sind, kann es anspruchsvoll sein. 

In jeder Klasse gibt es Kinder, die nicht daran gewöhnt sind, in der Tiefe über ihre Gefühle zu sprechen, gehört zu werden oder mitentscheiden zu dürfen. Das nehme ich als eine besondere Herausforderung unseres Projektes wahr, da das zu Unruhe und Unzufriedenheit führen kann.  

Darüber hinaus stellen ganz banale Sachen eigentlich die größten alltäglichen Herausforderungen dar: Schnee, Gewitter oder Hitze zum Beispiel; ein verschleppter Streit zwischen Kindern; der bevorstehende Mathetest, schlechte Laune. All das sind die kleinen oder großen Herausforderungen, die der Grundschulalltag auch für uns bereithält. 

Und wie reagiert ihr auf diese Herausforderungen? 

In erster Linie mit Ruhe und Zeit. Wir nehmen Störungen, in welcher Form auch immer, als Chance wahr, um zu lernen und in Verbindung zu treten. Ganz nach dem Motto „Konflikte schaffen Bindung und Beziehung“. 

Wir betreuen eine Klasse aber auch nie allein, sondern arbeiten immer im Tandem von zwei AG-Leiter:innen. Darüber hinaus ist eine Erziehungskraft dabei, die die Klasse durch den ganzen Tag begleitet. Diese Unterstützung ist für uns, als Menschen, die die Kinder nur einmal wöchentlich sehen, natürlich unheimlich wertvoll.  

Gab es im letzten Schuljahr einen AG-Moment, der dich besonders beeindruckt hat? 

Das war erst kürzlich! Ich muss vorneweg sagen, dass jede AG-Stunde mit einer Mini-Meditation beginnt. Die Kinder aus meiner AG haben mich jedenfalls gefragt, ob wir nicht mal länger „zusammen atmen“ könnten, „…zum Beispiel in der letzten Stunde vor den Ferien?“. Ich war ein bisschen baff, da ich immer geglaubt habe, sie würden eigentlich mehr die lustigen Tänze oder die wilden Ballspiele genießen.  

In der letzten Stunde vor den Ferien habe ich mit meiner dritten Klasse dann 30 Minuten lang meditiert, gefolgt von einem sehr beeindruckenden Erfahrungsaustausch. Das war einfach genial.